Bergung und Notsicherung des Historischen Kastengestühls


Ein ehrenamtliches Projekt einer Bergung und Notsicherung des historischen Gestühls zur Erhaltung des historischen Inventars der Dorfkirche St. Georg zu Lüdershagen von den Studenten der Fachhochschule Potsdam des Studiengangs Restaurierung und Konservierung:

Clara Kirmse (Fachrichtung Wandmalerei), Josephine Bartholomé (Fachrichtung Wandmalerei), Alexander Ackermann (Fachrichtung Metall) und Richard Engel (Fachrichtung Holz)

 


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Im Jahre 2011 kam es zu einer sehr dramatischen Situation: In weiten Bereichen des Kircheninnenraumes sackte der Fußboden teilweise bis zu 20 Zentimeter ab. Da der Sommer sehr regenreich war, konnte vermutlich das Wasser nicht schnell genug absickern und führte zu Unterspülungen. Außerdem handelt es sich bei dem Baugrund um eine künstliche Aufschüttung, die nun nach vielen Jahrhunderten doch vereinzelt nachgab. Die Kirche musste gesperrt werden. Sogar die Holzpfeiler unter der Orgelempore sackten wenige Zentimeter ab, was aber ein Verziehen der bereits 2007 aufwändig restaurierten Orgel verursachte. Weihnachten konnte nicht in der Kirche gefeiert werden. Um den Fußboden sanieren zu können, wurde die Kirche komplett geräumt. Während der Sanierungsarbeiten konnten Archäologen auch knapp 300 alte Münzen bergen, die unter dem Fußboden schlummerten. Darunter waren auch dänische Schillinge, Stargarter Vierchen, Stralsunder Dreilinge oder Lübecker Pfennige. Sogar ein vom Typ bisher noch völlig unbekannter Hohlpfennig von 1360 wurde entdeckt. Dank umfangreicher Bauarbeiten verfügt die Kirche seit Mai 2012 wieder über einen intakten Fußboden. Das Gestühl allerdings sollte nicht wieder eingebaut werden, da zum einen nicht genügend Geld vorhanden war und es zum anderen leider in der Gemeinde unterschiedliche Meinungen zum Aussehen und zur Nutzung des Chorraumes gab.  

 

Das aus dem Gotteshaus ausgelagerte Gestühl hatte inzwischen - infolge unsachgemäßer Lagerung - durch Witterungseinflüsse sehr stark gelitten, denn der schlechte Lagerungszustand hielt nun bereits seit dem 07. Sept. 2013 an. Seitdem war zusehends zu beobachten, wie das Holz aufquillt, die zuvor noch völlig intakte Farbfassung und Leimfugen sich lösten und an weiten Teilen Moderfäule einsetzte. Da  sich anscheinend niemand so richtig für den Erhalt des Gestühls zuständig sah und dadurch keine Änderung in Sicht war, stellte ich fest, dass ich hier selbst tätig werden muss. Dies war mir ein besonderes Anliegen, da ich in dieser Kirche auch getauft und konfirmiert wurde. Mir wurde bei dieser Angelegenheit in Lüdershagen auch ganz besonders klar, dass es nicht nur die großen und bedeutenden Stadtkirchen unseres Landes  Wert sein sollten erhalten zu werden, sondern auch so ein schönes Kleinod auf dem Lande, dessen Erhaltung in seiner Gesamtheit genauso wichtig ist. Ein großer Teil seiner vielfältigen Ausstattung wäre hier fast für immer unwiederbringlich verloren gegangen, ganz abgesehen von der furchtbaren kühlen Leere, die den Kirchenraum nun prägen sollte. Wir bewahren mit unseren Denkmälern auch ein kulturelles Gedächtnis und ebenso hätte der Verlust dieser auch immer ein Stück weit den Verlust unserer Identität zur Folge!

 

Um das Gestühl erst einmal zu retten und vor weiteren Schäden infolge des bevorstehenden Winters bewahren zu können, bauten meine lieben Kommilitonen und ich vom 09. Sept. 2015 bis 11. Sept. 2015 eine Noteinhausung.

Wir befreiten die einzelnen Teile des Gestühls von Laub und Morast und transportierten sie in den Aufbahrungsraum im Turmerdgeschoss, um sie während der Arbeiten an Dach und Wänden der zukünftigen Einhausung sicher zwischenlagern zu können. Zu viert war dies ein sehr gutes Arbeiten – gerade auch bei den großen und schweren Brüstungselementen.

An den darauffolgenden zwei Tagen rissen wir das alte löchrige Dach und die kaputte Regenrinne ab und begannen mit dem Aufbau des neuen Daches und den Wänden in Stülpschalung.

Am 10.09 kam auch ein Reporter der Ostseezeitung, dessen Artikel bereits am folgenden Tag erschien.

Auf dem Betonfußboden befestigten wir auf einer Sperrschicht aufliegende Lagerhölzer, auf denen dann die Gestühlsteile nach erfolgter Dokumentation und Bestandsaufnahme spannungsfrei ausgerichtet wurden, sodass ein weiteres Verziehen des Holzes verhindert werden konnte. Auch die mittelalterlichen Backsteine des alten Kirchenbodens konnten ordentlich geschichtet untergebracht werden. Dabei tauchten auch Steine mit Tierpfoten-Abdrücken auf. Am Ende des Tages waren wir so weit gekommen, dass ich meine Kommilitonen zum Bahnhof bringen konnte. Jeder sollte aus privater Kasse meiner Familie wenigstens 20 Euro als Dankeschön bekommen. Dies nahmen sie nicht an. Stattdessen sollte ich damit eine private Kasse für weitere Projekte eröffnen.

 

Insgesamt stecken in diesem Projekt 47 Arbeitsstunden  + 3x23 Arbeitsstunden von helfenden Händen und Materialkosten von ca. 600€.  

 

In den folgenden Wochen war es nun schön zu sehen, wie das Gestühl nach und nach wieder trocknen konnte.